Seit über 20 Jahren begleite ich erwachsene Menschen dabei, sich mit ihrem beruflichen Werdegang auseinanderzusetzen und Entscheidungen über ihre berufliche Zukunft zu treffen. In meiner Tätigkeit als Lehrerin an einer berufsbildenden höheren Schule habe ich viele Jugendliche erlebt, die vor dieser Entscheidung standen. Nun sind meine eigenen Töchter in dem Alter, in dem sie sich über ihren Weg nach der Matura Gedanken machen. Anlass, mich auch in meiner Rolle als selbständige Beraterin intensiv mit der Frage: „Matura, was nun?“ zu beschäftigen. Das, was ich die letzten 20 Jahre an Erfahrungen und Wissen gesammelt habe, zu bündeln und mir zu überlegen, wie man junge Menschen bei dieser großen Entscheidung begleiten und unterstützen kann.

Daraus sind 10 Tipps für Jugendliche und junge Erwachsene entstanden, die sich darüber Gedanken machen, was sie nach der Matura tun sollen:
Tipp #1 für deine Berufs- und Studienentscheidung:
Der ideale Zeitpunkt, sich mit der Frage "Matura, was nun?" zu beschäftigen, ist mindestens ein Jahr, bevor du eine Entscheidung treffen musst.
Nach der Matura steht dir eine unglaubliche Auswahl an Möglichkeiten offen. Das ist wunderbar – es bedeutet aber auch, dass du Zeit brauchst, um dir einen Überblick zu verschaffen und eine Auswahl zu treffen. Teilweise muss man sich Monate im Voraus für Ausbildungsplätze anmelden, was den Entscheidungsdruck erhöht. Doch das Maturajahr ist der anstrengende Höhepunkt der Schullaufbahn. Oft bleibt daneben wenig Zeit, sich mit der Frage, was man danach tun möchte, zu beschäftigen.
Darum ist es sinnvoll, das schon vorher zu machen – und es lohnt sich doppelt: Wenn du eine motivierende Zukunftsvision hast, weißt du nämlich, wofür du dich im letzten Schuljahr anstrengst.
Tipp #2 für deine Berufs- und Studienentscheidung:
Lern dich und deine Bedürfnisse kennen:
Was brauchst du, um glücklich zu sein? Was gibt dir Energie? Was kostet dich Energie?
Jeder Mensch ist anders, die Bedürfnisse sind individuell verschieden. Während manche Menschen viel persönlichen Freiraum brauchen, sind andere froh, wenn es klare Regeln und Strukturen gibt. Während die einen gern Verantwortung tragen und Entscheidungen treffen, empfinden das andere als Belastung und sind froh, wenn man ihnen sagt, was sie tun sollen. Während manche gerne den ganzen Tag unter Menschen sind, legen andere großen Wert auf ihre Privatsphäre und haben gerne ihre Ruhe.
Werden Bedürfnisse erfüllt, fühlt man sich wohl und gewinnt Energie. Werden sie nicht erfüllt, kostet es Energie. Wir verbringen einen großen Teil unseres Lebens bei der Arbeit. Im Idealfall findet man einen Beruf, bei dem viele der eigenen Bedürfnisse erfüllt werden. Doch dazu muss man diese zuerst einmal kennen.
Wenn es dir schwerfällt, deine Bedürfnisse zu erkennen: Es gibt Persönlichkeitstests, die dabei hilfreich sind, z. B. das Reiss Motivation Profile.
Tipp #3 für deine Berufs- und Studienentscheidung:
Denk von der Zukunft her:
Was ist für dich ein „gutes“ Leben? Wie möchtest du später einmal leben und arbeiten?
Ein „gutes“ Leben ist eines, in dem die persönlichen Bedürfnisse erfüllt werden – sowohl privat als auch beruflich. Da die Bedürfnisse individuell verschieden sind, schaut auch dieses „gute“ Leben für jeden anders aus. Für manche ist das eine glückliche Familie mit Kindern, Hund und ausgewogener Work-Life-Balance. Für andere bedeutet es in erster Linie, nie aufhören zu lernen und sich einen Namen zu machen als Experte in einem Themengebiet, für das man brennt.
Wer keine eigene Zukunftsvision hat, läuft Gefahr, so zu leben, wie andere das für „gut“ halten – und sich dann irgendwann zu wundern, wenn sich das eigene Leben anfühlt, als wäre man „im falschen Film“ gelandet.
Tipp #4 für deine Berufs- und Studienentscheidung:
Erkunde deine Interessen:
Womit beschäftigst du dich gerne? Was interessiert dich? Was macht dir Freude?
Überlege dir, mit welchen Themen, Materialien oder Menschen du dich gerne beschäftigst. Welche Schulfächer du magst. Welche Bücher oder Artikel du liest. Welchen Menschen oder Social Media-Kanälen du folgst. Worin du dich gerne vertiefst. Wo du immer noch mehr wissen möchtest. Wobei du die Zeit vergisst. Auch wenn du froh bist, wenn die Schule bald zu Ende ist: Dein Lernen wird nie enden, auch wenn du schon im Beruf stehst. Und wenn du dich für das interessierst, was du beruflich machst, dann wird dir das Lernen leichter fallen und vielleicht sogar Freude bereiten.
Wenn es dir schwer fällt deine Interessen zu erkennen, können Persönlichkeitstests hilfreich sein.
Tipp #5 für deine Berufs- und Studienentscheidung:
Erkenne deine Stärken:
Was zeichnet dich aus? Welche deiner Stärken magst du? Wie und wo könntest du diese nutzen?
Mach dir Gedanken darüber, was du gut kannst und wo deine Stärken liegen. Bitte andere Menschen um Feedback. Deine Stärken sind wertvolle Ressourcen für dein Leben, die dir niemand nehmen kann. Manchmal gibt es aber auch Dinge, die man zwar gut kann, aber nicht gerne macht. Solche Dinge solltest du nach Möglichkeit vermeiden – sie kosten dich Energie.
Konzentriere dich auf die Stärken, die du magst. Im Idealfall kannst du diese später beruflich nutzen. Auf diesen Stärken kannst du aufbauen und sie weiterentwickeln – sodass sie dich einzigartig machen. Das bringt dich weiter und macht mehr Spaß, als wenn du probierst, an deinen Schwächen zu arbeiten und damit bestenfalls durchschnittlich wirst.
Wenn es dir schwerfällt, deine Stärken zu erkennen, können Persönlichkeits- und Leistungstests hilfreich sein.
Tipp #6 für deine Berufs- und Studienentscheidung:
Möglichkeiten erkennen:
Welche Berufsfelder kommen grundsätzlich in Frage? Wie könnte es sein, dort zu arbeiten? Welche „Spielregeln“ herrschen dort?
Denk nicht in einzelnen Berufen, sondern in Berufsfeldern. Es ist heutzutage unwahrscheinlich, dass du dich für einen Beruf entscheidest und diesen dein Leben lang ausüben wirst. Berufe entwickeln sich weiter und vermutlich wirst du in deinem Leben mehrere verschiedene Berufe haben.
Verschaff dir einen Überblick über verschiedene berufliche Richtungen, Rollen oder Branchen. Recherchiere im Internet und nutze jede Möglichkeit, Einblick in die Arbeitswelt zu bekommen. Das können beispielsweise Exkursionen, Praktika oder Ferialjobs sein.
Finde heraus, wie es ist, in einem bestimmten Berufsfeld zu arbeiten: Welche Werte und Regeln gelten dort, wie kleidet man, wie geht man miteinander um? Was sind das für Menschen, die dort arbeiten?
Tipp #7 für deine Berufs- und Studienentscheidung:
Das richtige „Spielfeld“ wählen:
Welches Berufsfeld könnte zu dir als Mensch passen? Wo könntest du dich wohlfühlen? Wo wirst du geschätzt, so wie du bist?
Entwickle ein Gefühl dafür, in welches Feld du passen könntest, wo du dich wohlfühlen könntest und wo du mit deiner Art und mit deinen Stärken geschätzt wirst. Voraussetzung dafür ist, dass du dich einerseits selbst kennst und dir andererseits Einblick in verschiedene Arbeits- und Beschäftigungsfelder, Rollen und Branchen verschafft hast.
Dabei helfen Praktika und Ferialjobs, aber auch einzelne Tage oder Wochen, in denen du Berufstätigen „über die Schulter blicken“ oder die du in einem Unternehmen verbringen darfst. Auch Gespräche mit Menschen über ihre beruflichen Aufgaben, ihre Freuden und Sorgen bei der Arbeit tragen dazu bei, hier einen Schritt weiter zu kommen.

Tipp #8 für deine Berufs- und Studienentscheidung:
Wege recherchieren:
Welche Möglichkeiten gibt es, ins gewünschte Berufsfeld zu kommen? Welche Ausbildungen oder Vorerfahrungen sind notwendig?
Wenn du eine ungefähre Idee davon hast, wohin du später einmal möchtest – und hier reicht zunächst die berufliche Richtung, die Rolle oder das Arbeits- und Beschäftigungsfeld, dann wird es Zeit für eine ausgiebige Recherche. Im Internet gibt es viele gute Informationsquellen wie die Seiten des BIFO, AMS oder BIC.at.
Hilfreich sind hier auch Gespräche mit Menschen, die in dem Feld arbeiten, das dir gefällt: Wie sind sie dort gelandet? Welche Empfehlungen haben sie für dich? Das können nicht nur Ausbildungen sein, sondern auch Auslandserfahrungen, Praktika oder berufliche Vorerfahrungen. Meist gibt es verschiedene Wege, die zum Ziel führen können.
Tipp #9 für deine Berufs- und Studienentscheidung:
Den nächsten Schritt planen:
Welchen Weg möchtest du gehen? Was ist ein sinnvoller erster Schritt in die richtige Richtung? Was ist nun zu tun?
In der Regel hast du mehrere Möglichkeiten, in einem bestimmten Berufsfeld tätig zu sein und mehrere Wege, um dein Ziel zu erreichen. Welchen davon könntest du dir für dich vorstellen und was ist ein sinnvoller erster Schritt: Studium oder Lehre, Fachhochschule oder Universität, erst die Ausbildung abschließen oder gleich in den Beruf einsteigen und berufsbegleitend studieren?
Schau dir die unterschiedlichen Möglichkeiten genau an, nutze Informationsveranstaltungen und Schnuppertage, informiere dich frühzeitig über Zulassungsbedingungen und Anmeldefristen und wäge die Vor- und Nachteile der verschiedenen Optionen ab. Entscheide dich, plane den ersten Schritt und tue, was zu tun ist.
Tipp #10 für deine Berufs- und Studienentscheidung:
Den Weg gehen:
Worauf freust du dich, wenn du an deine berufliche Zukunft denkst? Welche Hindernisse könnten auftauchen? Wie könntest du damit umgehen?
Stell dir deine berufliche Zukunft vor und male dir aus, wie es sein wird. Mach dir aber auch Gedanken darüber, was dich auf deinem Weg aufhalten oder dich abhalten könnte, dein Ziel zu erreichen. Und überlege dann, wie du mit diesen Hindernissen umgehen könntest.
Dein persönlicher Weg entsteht beim Gehen: Nutze auch weiterhin jede Chance, um Erfahrungen zu sammeln, schärfe dein Bild, passe deine Zukunftsvision und gegebenenfalls auch deinen Weg an. Sei dir aber auch bewusst, dass nichts perfekt ist – weder später im Beruf noch auf dem Weg dahin - und dass es neben guten immer auch weniger gute Tage gibt. Neben vielen Aufgaben, die man gerne macht, gibt es immer auch welche, die man nicht mag. Neben vielen erfüllten Bedürfnissen immer auch welche, die nicht erfüllt sind.
Entscheidend ist das langfristige Verhältnis von dem, was passt und dem, was nicht passt. Behalte dein Ziel im Auge und freue dich über das, was gut ist! Denn dein Beruf wird einen großer Teil deines Lebens sein.

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