Seit dem Jahr 2000 begleite ich immer wieder erwachsene Menschen dabei, sich mit ihrem beruflichen Werdegang auseinanderzusetzen und Entscheidungen über ihre berufliche Zukunft zu treffen. In meiner Tätigkeit als Lehrerin an einer berufsbildenden höheren Schule habe ich viele Jugendliche erlebt, die ihren Weg finden mussten. Nun kommen meine eigenen Töchter in das Alter, in dem sie sich über ihren Weg nach der Matura Gedanken machen und eine Entscheidung treffen müssen. Anlass, mich auch in meiner Rolle als selbständige Beraterin intensiv mit der Frage: „Matura, was nun?“ zu beschäftigen. Das, was ich die letzten 20 Jahre an Erfahrungen und Wissen gesammelt habe, zu bündeln und mir zu überlegen, wie man Jugendliche bei dieser großen Entscheidung begleiten und unterstützen kann.
Nach monatelanger Entwicklungsarbeit ist daraus das Programm "Matura, was nun?" entstanden, im Rahmen dessen ich über zwei Jahre lang Jugendliche bei ihrer Entscheidung begleiten durfte.
Hier folgen Erkenntnisse aus meiner Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen:
Persönlichkeitstests sind hilfreicher für die Berufs- und Studienentscheidung als Leistungstests:
Die Persönlichkeitstests werden von den Jugendlichen als hilfreicher erlebt als die Leistungstests. Sie haben oft den Eindruck, dass sie ihre Leistung - auch aufgrund ihrer Erfahrungen in der Schule - recht gut selbst einschätzen können und die Tests dafür gar nicht unbedingt erforderlich sind. Mit ihren Bedürfnissen und Erwartungen an ein gutes Leben haben sich die meisten eher weniger beschäftigt. Aus diesem Grund schätzen sie besonders die Auseinandersetzung mit ihren Lebensmotiven, die ich mit Hilfe des Reiss Motivation Profiles durchführe.
Die Eltern spielen eine wichtige Rolle bei der Berufs- und Studienwahl:
Beim Großteil der Jugendlichen ist ein Elternteil beim zweiten Gespräch anwesend. Dies bringt mehrere Vorteile mit sich: Zum einen kann die Sicht der Eltern und der Jugendlichen mitberücksichtigt werden, was zu einem umfassenderen Bild führt. Zum zweiten können die Eltern neue Aspekte ihrer Kinder entdecken, die sie bisher vielleicht übersehen haben und auch die Kinder nehmen das Feedback ihrer Eltern durch die Anwesenheit eines neutralen Dritten bewusster auf. Darüber hinaus führt eine solche Beratung zwar zu neuen Erkenntnissen, aber es ist in der Regel noch nicht möglich, direkt eine abschließende Entscheidung zu treffen – meist braucht es danach noch zusätzliche Abklärungen. Da ist es schön, wenn die erforderlichen Schritte im Austausch miteinander geplant und und im Anschluss auch reflektiert werden können. Voraussetzung ist natürlich ein gutes und vertrauensvolles Eltern-Kind-Verhältnis.
Jugendliche und junge Erwachsene brauchen bei der Berufs- und Studienwahl eine individuelle Begleitung:
Die Jugendlichen unterscheiden sich sehr stark im Hinblick darauf, wie konkret ihre Zukunftsvorstellungen sind. Während manche noch eher unrealistische Vorstellungen von ihrem Leben mit 30 haben – von einem großen Auto und Haus träumen, aber ganz ausblenden, dass das Geld dafür erst irgendwie verdient werden muss – haben andere einen konkreten Beruf im Kopf und wissen schon genau, welche Aufgaben dabei anfallen und wie ihr Tagesablauf ausschauen wird. Beides birgt Herausforderungen: Während im ersten Fall der Blick behutsam in Richtung Beruf gelenkt und überlegt werden muss, wie denn dieser ausschauen könnte, damit er zu den eigenen Bedürfnissen, Interessen und Stärken passt, geht es im zweiten Fall eher darum, den Blick zu weiten und sicherzustellen, dass keine voreilige Fixierung passiert ist und Wichtiges übersehen wurde.
Für die Berufs- und Studienentscheidung ist es wichtig, dass Jugendliche und junge Erwachsene vielfältige Einblicke ins Berufsleben bekommen:
Es ist von unschätzbarem Wert, wenn Jugendliche Einblick in das Berufsleben bekommen. Dabei helfen Praktika und Ferialjobs, aber auch einzelne Tage oder Wochen, in denen sie Berufstätigen „über die Schulter blicken“ oder die sie einfach nur in einem Unternehmen verbringen dürfen. Auch Gespräche mit Menschen über ihre beruflichen Aufgaben, ihre Freuden und Sorgen bei der Arbeit tragen dazu bei, Vorstellungen über das Leben „nach der Schule“ und die vielfältigen Möglichkeiten zu entwickeln. Menschen, die vor der Berufswahl stehen, müssen ein Gefühl dafür entwickeln können, ob sie in ein bestimmtes Feld passen: Zu den Menschen, die dort tätig sind, zu den Werten und Regeln, die dort gelten, den Herausforderungen, mit denen man sich dort beschäftigt – dazu, wie man sich kleidet, wie man miteinander umgeht, wie man lebt und arbeitet.
Bei der Berufs- und Studienwahl sollte man zunächst Berufsfelder und Studienrichtungen betrachten - und nicht einzelne Berufe oder Studiengänge:
Nach der Matura muss man noch nicht wissen, welchen Beruf man später genau ausüben möchte. Das würde auch nicht viel Sinn machen, denn heutzutage kann man nicht davon ausgehen, dass man sein Leben lang denselben Beruf haben wird - Berufe entwickeln sich weiter, neue Berufe entstehen und andere verschwinden. Wichtig ist, die Richtung zu wissen, in die man gehen möchte und das Feld, in das man passt - beispielsweise Sozialbereich, Wirtschaft oder Technik. Ob man viel mit Menschen zu tun haben möchte, oder eher mit Informationen oder Maschinen. Und wie das Verhältnis von Theorie und Praxis sein sollte - sowohl bei der Ausbildung als auch beim späteren Beruf. Wenn man solche Dinge weiß, kann man gezielt Schritte setzen, die in diese Richtung und in dieses Betätigungsfeld führen. Das kann beispielsweise ein Studium sein, eine Lehre oder auch ein Praktikum. Man trifft zwar Richtungsentscheidungen, bleibt aber flexibel, was die weitere Spezialisierung angeht. Und schaut dann Schritt für Schritt weiter.
Es lohnt sich, Zeit und Energie in eine bewusste Berufs- und Studienentscheidung zu investieren:
Zum Mythos eines "geschenkten Jahres": Immer wieder hört man von Eltern, deren Kinder das Studium oder die Ausbildung abbrechen, dass sie ihren Kindern damit ein "Jahr schenken" würden. Dabei wird übersehen, dass eine solche Erfahrung für junge Menschen mit viel Schmerz verbunden ist - in einer Zeit, in der sie in der Regel das erste Mal fern von der Familie leben und mehr denn je auf sich allein gestellt sind: Ausgangspunkt ist meist das diffuse Gefühl, nicht am richtigen Platz zu sein. Es folgen Zweifel - oft auch an sich selbst, manchmal auch Wut und Trauer und vor allem ganz viel Unsicherheit. Wie jede Erfahrung trägt dieser Prozess natürlich auch zu neuen Erkenntnissen und einer persönlichen Reifung bei - die bei einem erfolgreichen Jahr auf dem passenden Weg vermutlich ähnlich wären. Vor allem kostet so ein Jahr aber richtig viel Geld. Würde es sich da nicht lohnen, etwas Zeit, Energie und Geld in die bewusste Entscheidung zu investieren um die Wahrscheinlichkeit eines Ausbildungs- oder Studienabbruchs zu reduzieren?
Ich habe mich über jeden einzelnen jungen Menschen gefreut, der mir in den letzten beiden Jahren sein Vertrauen geschenkt hat und den ich ein kleines Stück seines Weges begleiten durfte und bedanke mich für die schönen Begegnungen und Rückmeldungen zu meiner Arbeit mit den jungen Menschen!
Doch aus Zeitgründen werde ich das Programm "Matura, was nun?" ab dem Jahr 2024 nicht mehr anbieten. Mein Hauptfokus lag schon immer auf dem Coaching von Mensch und Organisation - und in diesem Bereich bin ich zunehmend gefordert. Um meine Arbeit weiterhin so machen zu können, wie es meinen Qualitätsansprüchen genügt, ist es notwendig, Prioritäten zu setzen.
Bereits ausgestellte Gutscheine für das Programm "Matura, was nun?" können noch bis Ende 2024 eingelöst werden. Ich bitte jedoch um frühzeitige Terminvereinbarung!
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